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Hy Quan Quach
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Mit "Until Dawn" ist just Sonys Videospielverfilmung auf Netflix gestartet. Der Horrorfilm kann direkt in die Charts einsteigen. Im Kino war er dagegen ein Kassenflop.
Es ist ein Bild, das es heute viel zu oft zu sehen gibt: Ein Film fällt an den Kinokassen dieser Welt durch und erreicht kein Publikum. Beim Streamingstart sind die Leute dann plötzlich da, die er zuvor gebraucht hätte, um zumindest seine Kosten wieder einzuspielen. Dann erobert der Kassenflop die Streaming-Charts und steigt manchmal gar direkt auf Platz 1 ein.
Ein Kassenflop war die Videospielverfilmung "Until Dawn" von Regisseur David F. Sandberg ("Lights Out") nicht, war mit einem weltweiten Einspielergebnis von rund 54 Millionen US-Dollar sogar profitabel. Das gelang allerdings nur dank eines kleinen Budgets von gerade einmal 15 Millionen US-Dollar. Dennoch blieb die Kino-Performance unter den Erwartungen. Das ist enttäuschend vor allem vor dem Hintergrund, dass Horrorfilme dieses Jahr überaus erfolgreich laufen.
Jetzt steht "Until Dawn" dank eines Deals zwischen Sony und Netflix im Streaming-Programm zur Verfügung und erreicht sofort Platz 3 unter den Filmen. Das Interesse ist also vorhanden, aber wo war das Publikum, als der Film in den Kinos lief? Dabei sah der Trailer doch richtig vielversprechend aus:
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"Until Dawn" ist ein Opfer vom Streaming-Zeitalter und der Inflation
Das Genre entspricht dem aktuellen Kinotrend, die Geschichte bietet selbst für Fans der Videospielvorlage etwas Neues und es ist weder (Franchise-)Fortsetzung noch Spin-off. Was ist also schiefgelaufen?
Abgesehen davon, dass Sandbergs Rückkehr ins Horrorgenre nach seinem Ausflug ins Comicgenre nur durchschnittliche Wertungen (51 % bei den Kritiken und 67 % vom Publikum auf Rotten Tomatoes) erhalten hat, steht "Until Dawn" für eine Entwicklung, der immer mehr Produktionen zum Opfer fallen – und die Studios häufig selbst befeuern: Viele Leute lassen den Kinobesuch selbst bei jenen Filmen ausfallen, für die sie sich eigentlich interessieren, und warten den ohnehin baldigen Streamingstart ab.
Viele von uns haben Filme, die wir unbedingt im Kino sehen wollen, Filme, die uns gar nicht interessieren und dann jene, die vorerst nur unser Interesse wecken. Früher hatte man die Wahl, auf den Verleihstart zu warten, was oftmals mindestens erst ein halbes Jahr später war, oder doch ins Kino zu gehen – vielleicht zum Kino-Montag bzw. Kino-Dienstag zum vergünstigtem Eintritt.
Dieses Zeitfenster ist heute – auch durch die eigenen Streaming-Plattformen der Studios – erheblich verkürzt. Nicht selten kann man einen Film bereits zwei Monate nach dem Kinostart streamen, bei Kassenflops sogar beinahe unmittelbar. Zusammen mit der Tatsache, dass ein Kinobesuch heute sehr viel mehr kostet, und die Leute weniger Geld für ihre Hobbies in der Tasche haben, überlegt man es sich zweimal, ob man sich einen Kinobesuch leisten kann.
Dazu konsumieren junge Generationen Filme anders. Sich eineinhalb oder zwei Stunden lang auf eine Sache zu konzentrieren, fällt vielen schwer. Zu Hause auf der Couch oder auf dem Bett kann man einen Film pausieren und nebenbei auf das Smartphone-Display starren. Selbst Quentin Tarantino, für den diese Art des Filmkonsums den puren Albtraum darstellt, hat zuletzt sein Verständnis geäußert, dass die junge Generation nun einmal ein anderes Sehverhalten an den Tag legt.
Doch wer dem Streaming den Vorzug gibt, braucht sich nicht zu wundern, wenn Studios nur noch Bewährtes, sprich Fortsetzungen en masse produzieren. Sicher muss sich auch die Kino-Industrie etwas einfallen lassen, um dem Publikumsrückgang entgegenzuwirken. Das Kinofest mit Tickets zum halben Preis ist eine großartige Idee. Doch es braucht etwas mehr Engagement, um das Kino wieder zu dem magischen Ort werden zu lassen, das es einst war; und da sind alle gefragt – auch das Publikum.
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