Aus traurigem Anlass: ARD-Sender ändert sein Programm

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Marek Bang

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(Bildquelle: IMAGO / teutopress)
„Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“. 1971 gelang Rosa von Praunheim mit seinem Fernsehfilm ein Welterfolg, der darüber hinaus als Initialzündung der modernen deutschen Lesben- und Schwulenbewegung fungierte. Nun ist der legendäre Filmemacher verstorben, weshalb der RBB sein Programm umfangreich ändert.

Rosa von Praunheims Filme gelten als schrill, bunt und provokant, wobei die Attribute verspielt, offen und in allen Belangen angstfrei sein Schaffen wohl treffender beschreiben.

Anlässlich seines Todes ändert der RBB am Donnerstag, den 17. Dezember 2025 sein Programm und strahlt um 22 Uhr die Dokumentation „Glückskind“ über Rosa von Praunheim aus, bevor um 22:55 Uhr der Spielfilm „Der letzte Tanz“ über das Doppelleben von Schlagersänger Rex Gildo ausgestrahlt wird, der 2022 seine Premiere feierte.

Abgerundet wird das Tribut mit einer Wiederholung des Talkformates „Thadeus“, in dem Rosa von Praunheim 2012 zu Gast war.

„Der letzte Tanz“ findet ihr kostenfrei als Stream in der ARD-Mediathek.

Von wem wir und in diesem Jahr noch verabschieden mussten, erfahrt ihr im Video.

» Video ansehen: Diese Stars sind 2025 verstorben
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„Der letzte Tanz“: Alles andere als ein gewöhnliches Biopic​


Freie Liebe, polygame Kommunen und die Abnabelung vom bürgerlichen Mief: Die 1960-er-Jahre wirken im Rückblick oftmals wie ein einziger Befreiungsschlag, in Wirklichkeit steckte sich die Mehrheitsgesellschaft aber keine Blumen ins Haar. Während die Rolling Stones ihre Sympathie für den Teufel bekundeten, schunkelte ein Millionenpublikum weiterhin zu Heile-Welt-Banalitäten wie „Fiesta Mexicana“ von Rex Gildo, einer zu Schwiegermutters Liebling stilisierten Kunstfigur mit Toupet und minutiös antrainiertem Hüftschwung.

Dass Ludwig Hirtreiter, so Rex Gildos bürgerlicher Name, in Wirklichkeit homosexuell und sein als Onkel getarnter Manager Fred Miekley sein Lebensgefährte war, durfte niemand erfahren. Bis zu seinem mutmaßlichen Freitod im Jahr 1999 setzte der Schlagersänger alles daran, dass sich daran nichts ändern sollte, was so weit ging, dass er seine Cousine heiratete, um der Presse entsprechende Paarbilder zu präsentieren. In der Branche hingegen war das Doppelleben von Rex Gildo ein offenes Geheimnis. Vor der Kamera von Rosa von Praunheim bestätigen das unter anderem seine Duettpartnerin Gitte Hænning oder die Schauspielerin Vera Tschechowa.

Das faszinierende Filmessay verzichtet bewusst auf jeden Konjunktiv und zeichnet nicht nur das Portrait einer zumindest über lange Zeit erzwungenen Selbstverleumdung, sondern auch das Bild einer Gesellschaft, in der Homosexualität erst 1994 endgültig entkriminalisiert wurde.

Auch wenn sein Werk international gefeiert wird, so hat sich Rosa von Praunheim niemals dem Mainstreamkino geöffnet und auch „Der letzte Tanz“ lässt sich keinem Genre im klassischen Sinne zuordnen. Vielmehr trägt die halbdokumentarische Mischung aus abgefilmtem Theaterstück, aktuellen Interviews und Originalmaterial aus Rex Gildos Auftritten die unverwechselbare Handschrift ihres Schöpfers, der das Geschehen selbst vor und hinter der Kamera kommentiert.

Dass die Karrieren des sechs Jahre älteren Gildo und die von Praunheim über lange Zeit parallel stattfanden, nutzt der Filmemacher zur eigenen Rückschau auf Leben und Werk, was dem Film natürlich enorm bereichert. So ist „Der letzte Tanz“ nicht nur das Portrait eines heimlich schwulen Schlagersängers, sondern zugleich eine Reise durch über 40 Jahre bundesrepublikanischer Geschichte aus zwei völlig unterschiedlichen Blickwinkeln.

Besonders beeindruckend geriet dabei die Zeichnung der frühen Jahre im Leben von Ludwig Hirtreiter in Form eines verträumten Heile-Welt-Musicals der 1950-er-Jahre, inklusive Hula-Hopp-Conny, gefälschtem Pass und zusammengelogenen Liebesgeschichten. Kilian Berger spielt den jungen Schlagersänger als manipulierbaren, aber nicht unsympathischen Ehrgeizling und liefert eine beeindruckende Vorstellung ab, ebenso wie Ben Becker, der lange nicht mehr so gut war wie hier. Als Fred Mikley ist er nicht nur Gönner und Liebhaber, sondern vor allem der entscheidende und vor allem kompromisslose Architekt der Kunstfigur Rex Gildo.

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Ben Becker glänzt als Fred Mikley
Der Mensch Ludwig Hirtreiter fällt nach dem Tod von Mikeley im Jahr 1988 in ein tiefes Loch, dass Praunheims Film durch einen radikalen Bruch abbildet. Fortan ist Kai Schumann in der Rolle des mittlerweile strauchelnden Sängers zu sehen, der sich mit seinem ausbleibenden Erfolg genauso wenig abfinden kann wie mit seinem fortscheitenden Alter.

Auch wenn dieser verhältnismäßig konventionell erzählte Abschnitt mit der Qualität des Zusammenspiels zwischen Kilian Berger und Ben Becker nicht mithalten kann, bleibt er ein weiteres Zeugnis davon, wie respektvoll sich der Filmemacher Praunheim seiner Figur nähert. Auch in seinem Verfall wird Rex Gildo nicht der Lächerlichkeit preisgegeben, selbst wenn die Angriffsfläche stetig wächst. „Der letzte Tanz“ ist schließlich keine Abrechnung mit einer Kunstfigur, sondern mit der Situation, die zu ihr führte.

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